Warnsignale bei häuslicher Gewalt: Wie kann ich als außenstehende Person unterstützen?
Vor einigen Monaten bemerkte Leyla, dass sich ihre beste Freundin Anna verändert hatte. Anna war immer fröhlich und gesellig gewesen, doch nun schien sie sich immer mehr zurückzuziehen. Wenn Leyla sie anrief, antwortete sie oft nicht oder klang gehetzt, als würde sie jemand beobachten. Bei einem ihrer selten gewordenen Treffen erzählte Anna, dass ihr Partner alle ihre Passwörter kenne und ihr Handy oft durchsehe. Leyla war besorgt, konnte aber nicht genau sagen, warum. Doch das war der erste Hinweis auf ein tiefergehendes Problem.
Kontrolle der Passwörter und Geräte
Ein häufiges Warnsignal für häusliche Gewalt ist die Kontrolle der digitalen Kommunikation. Wenn jemand gezwungen wird, Passwörter preiszugeben oder seine Geräte ständig überwachen zu lassen, kann das ein Zeichen für eine toxische und kontrollierende Beziehung sein. Anna berichtete Leyla auch, dass ihr Partner, wenn er wütend ist, regelmäßig ihr Handy überprüfe und ihr auch für längere Zeit das Handy oder den Laptop wegnehme.
Isolation
Ein wesentliches Anzeichen, dass jemand von häuslicher Gewalt betroffen sein könnte, ist Isolation. Isolation zeigt sich insbesondere darin, dass die betroffene Person von sozialen Kontakten und dem Austausch mit anderen Menschen weitgehend abgeschnitten ist. Oftmals verstärkt sich hierdurch ein Gefühl der Einsamkeit, da Betroffene oft wenig oder gar keine Interaktion mit ihrer Umgebung haben. Die Abhängigkeit zum Partner steigt dadurch.
Anna hatte aufgehört ihre Familie und Freundinnen regelmäßig zu treffen. Ihr Partner behauptete, dass er ihre ganze Aufmerksamkeit verdiene und dass sie keine Zeit für andere Menschen habe. Um den Vorstellungen und Wünschen ihres Partners zu entsprechen, begann Anna Ausreden zu finden, um Treffen mit ihren Freundinnen abzusagen und zog sich immer weiter zurück.
Bedrohung
Bedrohungen, ob ausgesprochen oder angedeutet, sind ein weiteres klares Warnsignal. In einem Gespräch mit Leyla erwähnte Anna beiläufig, dass ihr Partner oft „scherzhaft“ sage, er würde ihr etwas antun, wenn sie ihn jemals verlassen würde. Diese „Scherze“ lösten bei Leyla Alarmglocken aus, da sie wusste, dass dieses Verhalten nicht normal ist und solche Bedrohungen sich verwirklichen können.
Als Anna schließlich andeutete, sie könnte darüber nachdenken, die Beziehung zu beenden, spürte Leyla die Angst ihrer Freundin. Annas Partner hatte ihr klar gemacht, dass er das nicht zulassen würde.
Was kann ich tun, wenn ich als außenstehende Person von Gewalt in einer Beziehung mitbekomme?
Wenn Sie den Verdacht haben, dass jemand in Ihrem Umfeld Opfer häuslicher Gewalt ist, gibt es mehrere Möglichkeiten, wie Sie unterstützen können:
- Ansprechen und Zuhören: Sprechen Sie Ihre Sorgen behutsam an. Seien Sie einfühlsam und verständnisvoll, wenn die betroffene Person sich öffnet. Manchmal reicht es, zuzuhören und Unterstützung anzubieten.
- Nicht urteilen: Urteilen Sie nicht und setzen Sie die betroffene Person nicht unter Druck. Akzeptieren Sie Grenzen und drängen Sie die andere Person nicht. Es ist wichtig, dass die betroffene Person Entscheidungen immer selbst trifft.
- Vertrauen schaffen: Sprechen Sie nicht öffentlich über die Situation und respektieren Sie die Privatsphäre der betroffenen Person. Das ist auch wichtig, um ihre Sicherheit zu wahren. In einem akuten Notfall, der kein Zuwarten erlaubt, rufen Sie die Polizei.
- Fachliche Unterstützung: In Österreich gibt es ein breites Unterstützungssystem für Personen, die von Gewalt betroffen sind und deren soziales Umfeld. Gewaltschutzzentren, Frauenhäuser und Frauenberatungsstellen haben viel Erfahrung. Sie bieten rechtliche und psychologische bzw. psychosoziale Unterstützung und können bei der Planung weiterer Schritte helfen. Ermutigen Sie die betroffene Person, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
- Hilfe anbieten: Informieren Sie sich über Unterstützungsangebote und bieten Sie an, die betroffene Person dorthin zu begleiten.
- Geduld zeigen: Der Ausstieg aus einer von Gewalt geprägten Beziehung ist oft komplex und belastend. Betroffene benötigen Zeit, um ihre Situation zu erkennen, Unterstützung anzunehmen und die nötigen Schritte zu unternehmen. Angst, Scham und Abhängigkeit können Betroffene daran hindern, sofort zu handeln. Begegnen Sie Betroffenen deshalb mit Geduld und Verständnis, bis diese sich sicher genug fühlen, um Hilfe zu suchen und Veränderungen zu wagen.