Wie lebe ich Gerechtigkeit in Beziehungen?
Gleichberechtigung: Zwischen Wunsch und Realität
Einkaufen, kochen, putzen, Wäsche waschen, Familientreffen, Besuche von Freundinnen und Freunde oder Arztbesuche planen – all diese Aufgaben gehören ganz selbstverständlich zu unserem Alltag und obwohl sie meist unbemerkt „nebenher“ passieren, bedeuten sie viel Arbeit.
Die meisten Paare wünschen sich eine gleichberechtigte Beziehung auf Augenhöhe, in der ihre Bedürfnisse berücksichtigt werden und Verantwortung gerecht aufgeteilt wird. Doch oft ist es schwierig diese Theorie in die Praxis umzusetzen. Grund dafür sind häufig Geschlechterstereotype: Von klein auf lernen wir, wie wir uns als Mädchen/Frauen bzw. Buben/Männer verhalten sollen. Sich zu kümmern und andere zu versorgen, wird traditionell Frauen zugeschrieben. Tatsächlich führen diese veralteten Rollenbilder und die damit verbundenen gesellschaftlichen Erwartungen dazu, dass Frauen in Österreich noch immer mehr an unbezahlter Care-Arbeit, sogenannte Hausarbeit, leisten (Statistik Austria 2009).
Herausforderung Familienalltag
Die Geburt eines Kindes ist ein einschneidendes Erlebnis und bedeutet eine komplette Umstellung des Lebens. Das beinhaltet das Erwerbsleben (Karenz, Papa Monat, Väterkarenz), die Organisation der zu erledigenden Aufgaben im Haushalt und die Gestaltung des Familienlebens. Festzustellen ist, dass sich die Verantwortung für diese Tätigkeiten meist in Richtung der Frauen verschiebt. Selbst Paare, die zuvor die Verantwortung für Haushaltstätigkeiten relativ gerecht aufteilten, merken nach der Geburt des ersten Kindes häufig, dass es nicht mehr so klappt, wie sie es sich vorgestellt hatten. Die Corona-Pandemie hat diese Aufgabenverteilung klar aufgezeigt. Schließlich waren es in dieser Zeit vor allem Frauen und Mütter, die während der Lockdowns vorwiegend für die Kinderbetreuung bzw. die Unterstützung der Kinder beim Distance Learning zuständig waren. Das bestätigen die Ergebnisse des Projekts Austrian Corona Panel: Hier gaben Väter an, dass sie durchschnittlich 3 Stunden pro Tag mit Kinderbetreuung verbrachten – bei Müttern waren es täglich 7 Stunden.
Gelebte Gleichberechtigung als Chance und Prozess
Gelebte Gleichberechtigung in der Beziehung bedeutet, dass (finanzielle) Verantwortung und Care-Arbeit gerecht aufgeteilt sind. Dafür sind ein Nachdenken und ein Austausch darüber wichtig, welche Erwartungen man an sich selbst und die Partnerin bzw. den Partner hat, wie man sich eine gerechte Beziehung vorstellt bzw. was man dazu beitragen kann. Sich aktiv damit zu beschäftigen, wie die eigene Beziehung gerecht gestaltet werden kann, trägt auch zu mehr Geschlechtergerechtigkeit bei.
Ein erster Schritt in Richtung einer gleichberechtigt(er)en Beziehung kann beispielsweise mittels einer Bilanzziehung passieren – indem man bespricht und schriftlich festhält, was Beide in die Partnerschaft investieren. Gemeint sind damit nicht nur finanzielle Investitionen, sondern alle Beiträge, die für die Beziehung geleistet werden: Organisation des Haushalts, Übernahme der einzelnen Hausarbeiten, Gestaltung des Familienalltags, Planung der Freizeitaktivitäten und der Urlaube, Planung und Umsetzung der Familienfeste, Beziehungspflege mit Freundinnen und Freunden und vieles mehr.
Um diese Verteilung sichtbarer zu machen, kann es zudem sinnvoll sein, einen gemeinsamen Haushaltsplan zu erstellen, der alle Tätigkeiten und Zuständigkeiten im (Beziehungs-)Alltag auflistet. Eine gerechte Lösung muss dabei nicht immer einer 50/50-Aufteilung entsprechen. Sie sollte aber klaren Vereinbarungen folgen, die sich für alle Beteiligten gut anfühlen und die Interessen von Beiden im Blick haben. Wenn ein Elternteil beispielsweise für längere Zeit in Karenz geht, hat dies nachhaltige Folgen für den weiteren Karriereverlauf, das Lebenseinkommen und die Pension. Dasselbe gilt, wenn die Partnerin oder der Partner in Teilzeit arbeitet, um vermehrt Tätigkeiten im Haushalt und in der Familie für die Kinderbetreuung z.B. zu übernehmen. Eine gerechte Beziehungsgestaltung denkt auch diese langfristigen Auswirkungen mit.
Unterstützung in schwierigen Lebenssituationen
Gleichberechtigung in einer Beziehung zu besprechen kann für Paare mitunter herausfordernd sein, weil es ein Umdenken in vielen Bereichen braucht – das ist ein Prozess. Unterstützung erhalten Frauen (und Paare) im Rahmen von kostenlosen Beratungen, Workshops und Vorträgen in Frauenberatungsstellen. Die Wiener Beratungsstelle Frauen* beraten Frauen* bietet beispielsweise Online-Workshops und Vorträge zum Thema gleichberechtigte Elternschaft an. Die Salzburger Frauenservicestelle Frau & Arbeit veranstaltet regelmäßig unter anderem Online-Workshops zur Erstellung eines Haushaltsplans.